• Insolvenzverfahren: Öffentlich-rechtliche Verstrickung des gepfändeten Vermögensgegenstandes; fortdauernde Wirkungen der Verstrickung; Schutz des Drittschuldners (§ 88 InsO, § 89 InsO, § 829 Abs 1 S 1 ZPO, § 836 Abs 2 ZPO) 

    1. Eine durch Zwangsvollstreckung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag erlangte Sicherung führt zur öffentlich-rechtlichen Verstrickung des Vermögensgegenstandes. Verstrickung tritt auch ein bei einer während der Dauer des Insolvenzverfahrens durchgeführten Zwangsvollstreckung.
    2. Die Wirkungen der Verstrickung dauern im Insolvenzverfahren fort, bis sie auf einem dafür vorgesehenen Weg beseitigt worden sind.
    3. Der Drittschuldner kann sich gegenüber dem Auszahlungsverlangen des Insolvenzverwalters damit verteidigen, dass die Verstrickung der Vermögenswerte fortbesteht. (BGH v. 21.09.2017 – IX ZR 40/17)Zur praktischen Bedeutung des Urteils:
    Die häufigste Form der Zwangsvollstreckung im Zuge von Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen, die keine selbstständige Tätigkeit ausüben, wird die Kontenpfändung sein. So ist es auch in dem vorerwähnten vom Bundesgerichtshof entschiedenen Sachverhalt gewesen. Für die im Zuge eines Insolvenzverfahrens beteiligten Personen – und damit primär die Insolvenzverwalter und die Insolvenzschuldner – bedeutet die vorerwähnte Rechtsprechung, dass letztendlich bei jeder Kontenpfändung im Hinterkopf zu behalten ist: Wenn hier pfändungsfreie Guthaben (und damit Forderungen) entstehen, muss zunächst ein Rechtsbehelf eingelegt werden, um die Verstrickung zu beenden und damit über das Konto bzw. die Forderung zu verfügen.

    Die einfachere Alternative wird es sein, sich mit dem betreffenden Gläubiger über eine Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme zu einigen. Nicht alle Gläubiger werden dazu aber bereit sein und möglicherweise drängt die Zeit, um wieder verfügen zu können.

    Insbesondere in Erinnerung behalten wird man diese Zwangsvollstreckungsmaßnahmen im Hinblick auf eine anstehende Beendigung des Insolvenzverfahrens. Denn wenn es kein Insolvenzverfahren mehr gibt, finden auch die Regelungen nach §§ 88, 89 InsO keine Anwendung mehr. Dies wiederum kann zur Folge haben, dass ein (vormaliger) Insolvenzschuldner an einer Verfügung bezüglich seines seit Jahren bestehenden und vor Jahren gepfändeten Bankkontos gehindert ist. Denn diese möglicherweise längere Zeit zurückliegende Pfändung führt zu der vorerwähnten Verstrickung und damit zu einem Verfügungsverbot. Und die Erteilung der Restschuldbefreiung führt nicht zu einem Erlöschen der Forderung gegen den Schuldner. Die Forderungen werden vielmehr nur zu so genannten unvollkommenen Verbindlichkeiten, hinsichtlich derer ein Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners besteht. Da die Forderung nicht erloschen ist, bleibt auch das Pfändungspfandrecht existent – und damit die Verstrickung.

  • Nachweis der Rechtsnachfolge an freigegebenem Grundstück nach Löschung des Insolvenzvermerks (ZPO § 727; InsO § 32)
    1. Nach § 727 Abs. 1 ZPO ist die Rechtsnachfolge, wenn nicht offenkundig ist, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachzuweisen.
    2. Ergibt sich aus einem Grundbuchauszug, dass ein Insolvenzvermerk gelöscht ist, kann daraus der Schluss gezogen werden, dass das Grundstück nicht mehr dem Insolvenzbeschlag unterliegt. (BGH Beschluss vom 30.8.2017 – VII ZB 23/14)
  • Vorlage eines aktuellen Handelsregisterauszugs zum Nachweis einer Namensänderung (ZPO § 727; § 750)
    Zum Nachweis der Namensänderung einer Vollstreckungspartei kann die Vorlage eines aktuellen, beglaubigten Handelsregisterauszugs verlangt werden. (LG Verden, Beschluss vom 24.8.2017 – 6 T 91/17)
  • Geltendmachung von Zinsen nach Restschuldbefreiung aus ursprünglichem Titel (InsO §§ 201, 302 Nr. 1)
    Nach Restschuldbefreiung können Zinsen aus einer Forderung, die zur Insolvenztabelle mit dem Schuldgrund „aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung“ festgestellt wurde, nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens aus dem ursprünglichen Titel vollstreckt werden. (LG Heilbronn, Beschluss vom 5.7.2017 – Bm 1 T 140/17)
  • Keine Erzwingungshaft für Geldbuße vor Insolvenzeröffnung (InsO § 89 Abs. 1; OWiG § 96)
    Für eine vor Insolvenzeröffnung verhängte Geldbuße darf während des Insolvenzverfahrens keine Erzwingungshaft angeordnet werden. (LG Duisburg, Beschluss vom 5.7.2017 – Qs 22/17)
  • Keine Ersatzzustellung durch Einlegung nach Auszug des Adressaten (ZPO § 178, § 180, § 189)
    1. Eine Ersatzzustellung ist unzulässig, wenn der Empfänger die Wohnung nicht mehr bewohnt.
    2. Eine melderechtliche An- oder Abmeldung hat eine indizielle Aussagekraft hinsichtlich des tatsächlichen Wohnsitzes. (OLG München, Urteil vom 18.10.2017 – 7 U 530/17)
  • Keine Drittauskunft beim Rentenversicherungsträger unter 500 Euro (ZPO § 802l; SGB X § 74a Abs. 2)
    Obwohl die Wertgrenze zur Einholung von Drittauskünften aufgehoben wurde, kann der Gerichtsvollzieher eine Drittauskunft nur einholen, wenn die Wertgrenze von 500 Euro erreicht ist.
    (AG Neuss, Beschluss vom 30.10.2017 – 63 M 667/17)
Aktuelle Urteile / Rechtsprechung aus dem Bereich des Vollstreckungs-/Insolvenzrechts